Künstlergruppe Bonn

Gedanken zur Kunst

FIFTY x FIFTY

fifty fifty © Corinna Heumann 2024

FIFTY x FIFTY

Bild und Text von Corinna Heumann

Vielfältige künstlerische Positionen vereinen Kunst und Philosophie, hinterfragen beispielsweise Freiheit und Regeln und betonen Harmonie als zentrales Prinzip. Sie fordern kreative Lösungen und Balance zwischen Mensch und Natur. Philosophen wie Næss, Emerson und Laotse mahnen zur Rückbesinnung auf die Natur, während Aristoteles individuelle Werte und allgemeine Gerechtigkeit als Grundlage für Glück sieht. Eine geplante Ausstellung inspiriert zur Kunst des Ausgleichs in einer fragmentierten Welt.

Freiheit und Regeln

FiftyFifty! In dieser Ausstellung bedeutet das Format von 50 x 50 cm der gezeigten Werke zugleich Titel und Inhalt. FiftyFifty! Nun stellt sich allerdings die Frage, ob die vielfältigen Positionen innerhalb der Künstlergruppe Bonn mit dieser Strenge im Format überhaupt zum Ausdruck kommen können? Inwieweit regen Regeln zur freien künstlerische Entfaltung an oder lassen sie erstarren? Das Format kann man festlegen. Die Inhalte bleiben den Künstlern und Künstlerinnen überlassen.

In den Fragen der Kunst und des Lebens spielt der Begriff der Harmonie eine zentrale Rolle. Lebenskunst transzendiert den Lebenskampf und bewältigt ihn. Sie gibt ihm Form und Inhalt. Das Bauhaus postulierte, dass die Form der Funktion zu folgen hat, um Perfektion oder vielleicht sogar Harmonie zu erreichen – soweit zur Theorie.

Lebenskunst

Lebendige Kunst ist immer auch Lebenskunst. Sie gerät heute unter Druck. Eine bessere Work-Life-Balance wird gefordert, die Klimakrise wird als ein Grund für Forderungen auf allgemeinen Verzicht genannt, wachsende gesellschaftliche Spannungen heben die Welt aus den Fugen. Überall scheint das Zuviel oder Zuwenig zu herrschen. Daher sind offene kreative Sichtweisen gefordert. Mit ihren Gestaltungs- und Handlungsoptionen wird bereits experimentiert. Tragfähige Konzepte werden weltweit gesucht. Danach sollen die destruktiven Kräfte insoweit eingehegt werden, als dass das natürliche Gleichgewicht innerhalb der Prozesse der sogenannten schöpferischen Zerstörung wieder hergestellt werden kann. FiftyFifty!

Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur

Für viele Philosophien weltweit ist ein Leben in Harmonie mit der Umwelt die Grundlage für ein glückliches Leben. Danach ist die Menschheit nicht von der Natur getrennt, sondern Teil ihrer vielfältigen Rhythmen und Metamorphosen. FiftyFifty! Dazu kurze Hinweise auf drei einflussreichen Philosophen aus verschiedenen Epochen.

Der norwegische Philosoph, Arne Næss, ist der Begründer der Tiefenökologie. In seiner Theorie spiegelt er die Beziehung zwischen Mensch und Natur im 20. Jahrhundert: Es ergibt sich also eine ganzheitliche Betrachtungsweise, das heißt, eine Betrachtung der Natur und der Beziehung der Menschheit zur Natur, die eine grundlegende Haltung und Freude an der Natur mit dem Verhalten in der Gesellschaft vereint.

Ein Vordenker aus dem 19. Jahrhundert, der amerikanische Schriftsteller und Philosoph, Ralph Waldo Emerson stellte 1836 in seinem Essay, Nature, fest, dass Menschen die Schönheit der Natur nicht ganz akzeptieren. In seiner  ganzheitlichen Philosophie symbolisiert die Natur eine transzendierende Kraft zur individuellen spirituellen Vervollkommnung. Auch im alten China machte man sich Gedanken zur Ausbeutung der Natur durch den Menschen. Laotse schreibt in Tao Te Ching, der Mensch folgt der Erde, die Erde folgt dem Himmel, der Himmel folgt dem Tao, Tao folgt dem Natürlichen.

L’art pour l’art – individuelle Werte und das Streben nach Glück

Fifty für Kunst und Fifty für Glückseligkeit! Nicht nur ein Leben im Einklang mit der Natur gilt als erstrebenswert, sondern auch persönlicher und gesellschaftlicher Interessenausgleich. Bereits Aristoteles und Platon beschäftigten sich mit dem Zusammenhang zwischen allgemeiner Gerechtigkeit und individueller Tugendhaftigkeit. In der Nikomachischen Ethik legt Aristoteles dar, dass das Kultivieren von Werten wie Mut und Mäßigung sowie Gerechtigkeit – jeweils weder zu viel, noch zu wenig an materiellem oder an ideellem – unabdingbar sei. Ohne individuelle Tugenden gebe es kein gutes Leben, keine Eudaimonie oder Glückseligkeit, denn das Glück erwählen wir uns stets um seiner selbst willen und niemals zu einem darüber hinausliegenden Zweck. Kunst erwählen wir um der Kunst willen. Buddha, Ghandi und die Stoiker denken in ähnliche Richtungen.

Lebenskunst in einer fragmentierten Welt

Marc Aurel schreibt, dass man eine eigene Macht über seinen Verstand hätte, statt von Außen getrieben zu sein. Sapere aude – sich des eigenen Verstandes zu bedienen ist heute normalerweise eine Selbstverständlichkeit. Angesichts der viel beschworenen Komplexität der Welt sollte man gelegentlich auch den Mut haben, diesen vermeintlich eigenen Verstand zu hinterfragen. Andernfalls bliebe selbst der Verstand Glücksache.

Kunst und Leben sind also dynamische Prozesse des Ausgleichs, quer über die vielfältigen Dimensionen der menschlichen schöpferischen Existenz hinweg. Ein ganzheitlicher kreativer Blick navigiert in dieser Ausstellung durch die vielfältigen Positionen. Künstlerinnen aus New York und Kairo stellen gemeinsam mit Kunstschaffenden im Rheinland aus. Sie bilden nicht nur ihr  vielschichtiges umfangreiches kulturhistorische Erleben ab, sondern führen mit einem optimistischen Blick durch die Komplexität der Gegenwart. In der Ära der Klimakrise, gesellschaftlicher Polarisierung und persönlicher Entfremdung ist der kreative Austausch über die verschiedenen philosophischen Traditionen wichtiger denn je. Sie inspirieren nicht nur dazu, das eigene Leben sinnstiftend zu gestalten, sondern feiern die Idee einer friedlichen Koexistenz von Mensch, Natur und Gesellschaft.

Anmerkung: Diese Ausstellung ist vom 12. Januar bis zum 02. Februar 2025 im Kunstraum Bad Honnef zu sehen.